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Huldigung an den Klang


Prof.Dr.Wolfgang Becker
Museumsdirektor Sammlung Ludwig Aachen

Katalogtext – Ausstellung Musikhochschule Köln 1989

In das Vokabular der Kunstbetrachtung sind viele Worte eingefügt, die von Musik handeln. Harmonien und Disharmonien, die wir hören, haben Verwandtschaft mit denen, die wir sehen. In der Skulptur kann diese Synästhesie soweit thematisiert sein, dass Skulpturen wie Musikinstrumente aussehen oder gar als solche verwendet werden können.
Klingende Skulpturen treten häufig dann auf, wenn eine Musikkultur erstarrt, wenn Sehnsüchte nach einer anderen Musik entstehen. Die Klänge der Skulpturen sind ausschweifend, anarchisch und künden ein Chaos an, in dem sich eine neue Ordnung entwickelt.
Mladen Kunstic ist kein Musiker, aber die Sehnsucht nach der anderen Musik hat ihm den wesentlichen Impuls zur Skulptur vermittelt. Einige Jahre war seine Klangphantasie von Metallen bestimmt (Object trouvé). Er sammelte metallene Gegenstände auf Schrottplätzen, schweisste Eisen auf Aluminium, Kupfer auf Stahl, Rohre auf Bleche, Wasserhähne auf Zahnräder und schuf seine aus der Bewegung resultierende Klang- Skulptur.
Ein künstlerischer Spieltrieb, der Assemblagen hervorbrachte, ging Hand in Hand mit einem erzählerischen Talent, dass zu jedem Detail eine Geschichte zu erfinden bereit war. Immer mehr wurden die Skulpturen zu Klang-Instrumenten, die nur auf den Besucher warteten, um ihn einzuladen, an ihnen zu kurbeln, zu klopfen, zu hämmern, zu ziehen und an Hebeln zu drücken um Klänge zu erzeugen.
In der Mitte des Wirbelsturmes herrscht vollkommene Stille: Kunstic schaffte es, inmitten des optischen und akustischen Lärms seines Ateliers, eine Skulptur zu entwickeln, die Ruhe ausstrahlt. Federstahl-Bänder-Skulpturen. Wer Federstahlbänder benutzt, arbeitet mit Spannung und jeder gespannte Gegenstand enthält Töne
Die Handhabung solcher Skulpturen als Klangkörper besteht nunmehr aus eher haptisch-zärtlichen Bewegungen, so sind auch die Klänge zierlich, lyrisch. In diesem leiseren Ambiente geht Kunstic mehr auf die Details der Skulpturen ein und die Ästhetik des Materials seiner neuen Skulpturen treibt ihn vom Schrottplatz weg.
Heute haben seine Skulpturen Holz,auch Objekt trouves als Kern,auf dem sich gespannte Federstahlbänder festschrauben lassen. Die Summierung festgeschraubter, gespannter Federstahlbänder verschiedener Länge schafft skulpturale Trauben. Bodenskulpturen werden zu spielerischen, utopischen Stadtlandschaften. Ein starker Wind, der durch diese komplexen Gebilde führe oder ein leichtes darüberstreichen der Finger, könnte sie zu äolischen Harfen machen und einen zarten, rauschenden Klang erzeugen.

Die nächsten Arbeiten von Kunstic werden Windskulpturen sein- eine Huldigung an den Klang.


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